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Von Carmen Klingler-Deiseroth | 22. November 2013 | Ausgabe 47

 

Lange Zeit galten Dysprosium und Terbium für Elektromotoren als unverzichtbar. Doch seitdem die Preise für die Hightechmetalle in die Höhe schnellten tüfteln die Hersteller an Alternativen. So erfolgreich, dass das Ziel jetzt sogar lautet, ganz auf schwere Seltene Erden zu verzichten.

 

 

 

Magnettechnik im Wandel: Hersteller von Elektromotoren tüfteln an Alternativen zu Seltenerdmetallen. Im Bild die Fertigung des Automobilzulieferers Brose.

Quelle: Brose

 

Die leistungsstärksten Magnete basieren auf Neodym, Eisen und Bor. Es gibt nur ein Problem: Sie stecken voller Seltenerdmetalle, jener Gruppe von Elementen, deren Preise in den Jahren 2009 bis 2011 explodierten.

Für die Hersteller von Elektromotoren waren das turbulente zwei Jahre: Sie verbauen die Neodym-Eisen-Bor-Materialien (NdFeB) seit 1982, häufig noch dazu in Kombination mit den schweren Seltenerdmetallen Terbium und Dysprosium. Auch wenn die Preise in den letzten Jahren wieder gesunken sind: So günstig wie Neodym-Eisen-Bor-Magnete einmal waren, werden sie wohl nicht mehr werden. Zumal Experten auch aufgrund neuer Technologien wie der Elektromobilität insgesamt eine steigende Nachfrage nach Seltenen Erden vorhersagen.

Die höheren Rohstoffpreise in Elektromotoren werden seit 2011 in der Regel über einen Zuschlag an die Kunden in der Automobilindustrie weitergegeben. Loskommen konnten die Hersteller von den Seltenerdmagneten bislang nicht. Zu groß ist die Lücke zwischen den Powermagneten auf Neodym-Basis und der vermeintlichen Alternative, den hartmagnetischen Ferriten auf Eisenbasis, in denen keine Seltenerdmetalle verbaut werden.

Das hat dazu geführt, dass sich Motorenhersteller verstärkt mit magnetischen Materialien auseinandersetzen. Zwei Stoßrichtungen haben sich in Forschung und Entwicklung ausgebildet. Die erste untersucht die Zusammensetzung der Seltenerdmagneten und versucht, wenn schon nicht auf Neodym, dann wenigstens auf Dysprosium und Terbium zu verzichten. Die andere arbeitet an Motorenkonzepten, die mit Ferriten in höhere Leistungsklassen vorstoßen.

Der Automobilzulieferer Brose aus Coburg entwickelt nach eigenen Angaben seit 2011 NeFeB-Magnete ohne die besonders teuren schweren Seltenerdmetalle Dysprosium und Terbium. Die Beimischung dieser Elemente gilt als klassischer Weg, die Koerzitivfeldstärke und die Temperaturstabilität zu erhöhen. Während des Entwicklungsprozesses stand das Unternehmen im engem Austausch mit Forschungseinrichtungen wie der Fraunhofer-Projektgruppe für Werkstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS.

Doch alleine das Magnetmaterial zu ändern, reichte laut Brose nicht aus. Auch die Motorentopologie musste auf die dysprosiumfreien Magnetmaterialien ausgelegt werden, sodass die Elektromotoren ohne Abstriche die hohen Anforderungen der Automobilbranche erfüllen.

Damit hat der Automobilzulieferer den Startpunkt gesetzt für eine neue Generation von dysprosium- und terbiumfreier Elektromotoren. Sunny Zhang, Experte für Magnetmaterialien bei Brose, sagt: "Wir arbeiten permanent daran, die magnetischen Eigenschaften der dysprosiumfreien Seltenerdmagnete und die dazu passenden Motortopologien weiter zu optimieren. Ab 2014 sollen alle unsere Motoren ohne Dysprosium und Terbium auskommen."

Allgemein werden in der Materialforschung Anstrengungen unternommen, die vor etwa 30 Jahren entdeckten NeFeB-Magnetmaterialien besser zu verstehen. Ziel ist, den Anteil an Seltenen Erden so weit zu reduzieren, dass die Magnete zwar günstiger werden, aber nichts von ihrer Leistungsfähigkeit einbüßen. Auch Magnethersteller wie die Hanauer Vacuumschmelze bieten seit Kurzem NeFeB-Legierungen ohne Dysprosium an.

Mit hartmagnetischen Ferriten hat Brose ebenso positive Ergebnisse erzielt: "Wir haben mit neuartigen Flusskonzentratoren für verbesserte Ferrite und mit neuen Motortopologien Leistungsbereiche erschlossen, die diesen Magnetmaterialien bisher vorenthalten waren. Dadurch können wir heute auch dort sehr hohe Leistungen anbieten, wo bisher eine Seltene-Erden-Lösung unumgänglich war", sagt Elmar Hoppach, Experte für Elektrische Motoren bei
Brose.

Was mit Ferriten möglich ist, loten auch Forschungsprojekte aus. So wird im Rahmen des Eniac-Motorbrain-Projekts ein Traktionsantrieb auf Basis von Ferriten für Elektromobile entwickelt. Unter anderem sind Siemens, Infineon, ZF Friedrichshafen und das Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik der TU Dresden beteiligt. Das Motordesign der Permanentmagnet-Synchronmaschine (PMSM) weist in Bezug auf Materialien eine weitere Besonderheit auf: Aus einem weichmagnetischen Verbundwerkstoff wurde ein Klauenpol-Rotor entwickelt. Der Vorteil des sogenannten SMC-Werkstoffs (Soft Magnetic Composite) ist, dass sich ein Bauteil im Gegensatz zu Elektroblechen in einem Schritt herstellen lässt.

Dass SMC als Ersatz für Elektrobleche in Frage kommen, davon ist der Hersteller von weichmagnetischen Pulververbundwerkstoffen PMG Füssen überzeugt. Für komplizierte Maschinenkonstruktionen und hohe Frequenzen haben SMC Eigenschaften, die Elektroblechen überlegen sind. Mit SMC sind dreidimensionale Magnetflüsse möglich. "Damit können Maschinenkonstruktionen kleiner und daher mit einer höheren Leistungsdichte ausgelegt werden", sagt Andreas Schoppa, Leiter Forschung und Entwicklung bei PMG Füssen.

Auch Wirbelstromverluste sind mit SMC ab Frequenzen von etwa 500 Hz deutlich geringer als mit Elektroblechen. Die derzeitige Popularität des Materials begründet Schoppa mit den vielfältigen Verbesserungsmöglichkeiten bei konventionellen E-Maschinen und den zahlreichen Entwicklungsprojekten für Transversalfluss-, Klauenpol- und Axialflussmaschinen. CARMEN KLINGLER-DEISEROTH